Biodiversität auf der Beeren-Farm
Auf dem Knospe-Hof von Simon und Christoph Räss wachsen nicht nur über 20 verschiedene Beeren-Sorten – die Brüder haben auf ihrem Betrieb vielfältigen Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten geschaffen.
Auf dem Knospe-Hof von Simon und Christoph Räss wachsen nicht nur über 20 verschiedene Beeren-Sorten – die Brüder haben auf ihrem Betrieb vielfältigen Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten geschaffen.
Mit dem Verzicht auf chemisch-synthetische Hilfsmittel stellt sich im Bio-Landbau die Frage, wie man die Pflanzen auf natürliche Weise vor Krankheiten und Insektenbefall schützen kann? Fabian Zbinden lässt sich auf dem Räss-Hof zeigen, wie sich diese Herausforderung biologisch lösen lässt.
Im Norden des Kantons Zürich liegt der Räss-Hof, nur etwa 2 Kilometer vom Rheinfall entfernt. Eine Landschaft mit sanft geschwungenen Hügeln, viel Sonne und nährstoffreichen Böden – hier herrschen hervorragende Bedingungen für die Landwirtschaft. Die Brüder sind vor fünf Jahren in den elterlichen Betrieb eingestiegen und für die beiden war schnell klar: Sie stellen den Hof auf Bio um und setzen ganz auf Beeren-Anbau. Dabei sind sie ihren eigenen Interessen gefolgt und haben ein gutes Gespür für Trends bewiesen. Goji-Beeren aus der Schweiz sind eine Seltenheit und mit dem Anbau von Aroniabeeren haben die innovativen Brüder den Zeitgeist getroffen. Denn Aronia gilt aufgrund wertvoller Inhaltsstoffe als Superfood.
Fast jeder hat Beeren gerne. Das gilt nicht nur für Menschen – auch Tiere finden grossen Gefallen an ihnen. Insekten greifen ihre Blätter und Früchte an. Feldmäuse machen sich mit Vorliebe über das Wurzelwerk her. Da auf einem Bio-Betrieb keine chemisch-synthetischen Hilfsmittel zum Einsatz kommen, setzt man auf die Natur selbst.
In einem gesunden Ökosystem haben einzelne Arten keine Chance, überhandzunehmen – sie leben in einem natürlichen Gleichgewicht. Das ist ein biologisches Prinzip. Wenn diese Balance jedoch durcheinandergebracht wird, können sich bestimmte Tiere oder Pflanzen nahezu ungehemmt ausbreiten. Der Bio-Landbau hat sich diese Erkenntnis zunutze gemacht. Das Schlüsselwort heisst dabei: «Biodiversität». Wenn auf einem Hof eine ausgeglichene, biologische Vielfalt besteht, verringern sich die Probleme für den Bauern. Für alle Betriebe, die für Naturaplan produzieren, gibt es aus diesem Grund verbindliche Massnahmen, die erfüllt werden müssen.
Konkret bedeutet das auf dem Räss-Hof: Blattläuse saugen Pflanzensaft aus den Blättern der Sträucher und gefährden damit die Beeren. Das schädigt den Beerenstrauch und kann bis zum kompletten Ernteausfall führen. Da Blattläuse in der Landwirtschaft unerwünscht sind, werden sie als «Schädlinge» bezeichnet. Es gibt aber andere Insekten, die sich wiederum von Blattläusen ernähren, wie zum Beispiel Marienkäfer. Marienkäfer sind die natürlichen Feinde dieser Schädlinge und da sie der Landwirtschaft helfen, nennt man sie «Nützlinge».
Hilfreich auf dem Hof sind auch Eidechsen: Sie ernähren sich von pflanzenschädigenden Insekten. Wie also diese Nützlinge fördern? Um Eidechsen anzulocken, wurden von den Bio-Bauern Steinhaufen angelegt– ein beliebter Lebensraum der Reptilien. Mit Asthaufen wiederum haben Simon und Christoph auf dem Hofgelände potenzielle Heimstätten für Igel errichtet. Eine weitere Massnahme: Zwischen den Beerensträuchern wurden von den Brüdern lange Holzstangen aufgestellt – ein idealer Aussichtspunkt für Raubvögel wie Falken und Bussarde, die auf diese Weise optimale Voraussetzungen für die Jagd auf Feldmäuse haben.
Auffällig auf dem Hof: die vielen Rosen, die neben den Beerensträuchern ihre duftenden Blütenköpfe zeigen. Ein Glücksbringer? Ein besonderes Hobby? Nein – die Antwort ist pragmatisch: Die edlen Blumen sind bekannt für ihre Schädlingsanfälligkeit. Sie fungieren hier als Indikatoren. Wenn Rosen einen auffälligen Insektenbefall aufweisen, kann schnell etwas unternommen werden, um die Beerensträucher vor einem Befall zu schützen.
Es gibt aber auch Massnahmen, die nicht direkt zum Nutzen der Landwirte sind: Lebensraum für Wildsträucher und Bodendecker hilft ebenfalls dabei grosse Vielfalt zu ermöglichen. Und was manchmal wie vergessene, ungenutzte Wiesen aussieht, sind Ausgleichsflächen, auf der durch willkommenen Wildwuchs viele Gräser und Blumen erblühen können. Das ist gut für die Böden und hilft den Bienen. Sieben Prozent solcher ungenutzter Flächen sind auf Knospe-Betrieben vorgeschrieben, um die Natur zu bereichern. In diesen Vorgaben ist Bio Suisse strenger als die meisten anderen Bio-Labels, wie beispielsweise das EU-Bio Siegel, das keinerlei Biodiversitätsvorgaben an die Betriebe stellt.
Die Biodiversität auf dem Beeren-Betrieb hat sich über die gezielten Massnahmen der Räss-Brüder hinaus längst verselbstständigt. Zum einen wurde Lebensraum für Nützlinge geschaffen, die eine praktische Aufgabe haben. Zum anderen konnte Dank des Engagements der innovativen Bio-Bauern auf dem Betrieb in Benken Lebensraum für Tiere und Pflanzen geschaffen werden, die aufgrund ihres bedrohten Lebensraums selten in der Schweiz anzufinden sind. Ein Beispiel dafür: Hier wachsen mittlerweile die bedrohten Steinnelken. Diese schönen Blumen sind extrem selten und werden in der Schweiz geschützt. Aber auch das Braunkehlchen fühlt sich hier wohl – der Bodenbrüter findet aufgrund der Intensivlandwirtschaft anderenorts kaum noch Nistplätze.
Die Aroniabeeren auf dem Hof gedeihen auf natürliche Weise – dank der Massnahmen für ein ausgeglichenes Ökosystem:
Biodiversität, umfasst drei Aspekte, die eng miteinander verzahnt sind:
Mit dem Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide ermöglicht der Bio-Landbau mehr Lebensraum für Tiere und Pflanzen, als der intensive, konventionelle Landbau. Das Schaffen einer möglichst grossen Biodiversität ist Bio Suisse und Coop ein wichtiges Anliegen.